Die Tochter der Luft

Schauspiel von Hans Magnus Enzensberger
ID# Eke0356
Verlag Suhrkamp Verlag AG
D-10119 Berlin, Torstraße 44
Akte 3
Dekorationen 1
Männer 6
Frauen 3
Kinder 0
Personen 9
1992
Semiramis, Tochter der Luft, hervorgegangen aus einer Vergewaltigung, in der Wildnis aufgewachsen und wie ein Tier in einer Höhle gefangen, sucht ihre Freiheit in der Herrschaft über die andern, und das heißt: im Krieg. Ihre Siege und ihre Verbrechen fallen zusammen. Ein Aufstand zwingt sie, zugunsten ihres Sohnes abzu­danken. Der junge König, ein Fürst des Friedens, ist ihr Ebenbild und zugleich ihr verleugnetes Gegenteil.
Semiramis setzt ihn gefangen und besteigt den Thron von neuem. Die Mutter spielt den Sohn, die Frau den Mann. Eine ungeheure Verwirrung der Gefühle ist die Folge, die in der Katastrophe enden muss.
Hans Magnus Enzensbergers Schauspiel ist keine Übersetzung. Er übernimmt die geniale dramatische Struktur, die Calderon erfunden hat. Doch befreit er das Stück von seiner konventionellen Rhetorik, seinem barocken Apparat. Seine lakonische Version verschärft die politischen und erotischen Konflikte und führt sie auf ihren unlösbaren Kern zurück, den Willen zur Macht.
Goethe, der Erzfeind des Extremen, behauptete aus­gerechnet von der Tochter der Luft: »Mir ist es das herr­lichste von Calderons Stücken." Und er schreibt ihm »unbegreiflichlichen Verstand in der Konstruktion, Genie in der Erfindung« zu. Wie kommt es dann, dass das Stück, wenigstens in Deutschland, sein Glück auf dem Theater nie gemacht hat? Das spanische Original be­steht aus zwei abendfüllenden Teilen; seine barocke Rhetorik wird über acht Stunden hinweg vorgetragen. Nur durch eine radikale Rekonstruktion ist es für die heutige Bühne zu retten.