Die Lüge von Hameln

Jugend von Jörg Scheibe
ID# 146-12
Verlag Deutscher Theaterverlag GmbH
D-69442 Weinheim, Grabengasse 5
Akte 3
Dekorationen 1
Männer 15
Frauen 10
Kinder
Personen
Hameln 1284: In der Stadt herrschen üble Zustände. Nicht so sehr die Ratten sind die Plage, die die Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzen; vielmehr kommt diese Plage den Stadtvätern gerade zur rechten Zeit, um von ihren Machenschaften ablenken zu können. Menschen werden zu Außenseitern gemacht, wenn sie das wahre Übel durchschauen, und die Bevölkerung wartet auf den Befreier.
Aus dem Beginn der Neuzeit bereits ist ein Stück mit diesem Inhalt aus Südtirol bekannt,das sich kritisch mit den versäumnissen der Obrikeit auseinandersetzt!
Die Stadtverwaltung will die Stadt "nagerfrei" haben. Die Ratten sind der willkommene Anlaß für die Machtausübenden, die Bevölkerung vom Bestreben nach Neuerungen fernzuhalten. Die Angst vor den Ratten wird von der Obrigkeit geschürt. Und sie selbst macht sich unentbehrlich zur Rettung vor der Gefahr. Der Vergleich mit der demokratischen Befreiung in Osteuropa drängt sich durchgehend auf. Die Geschichte von den Ratten in Hameln wird hier einmal anders dargeboten, nicht als Märchen, sondern in die Realität gestellt. Entmythologisieren nennt sich das. Die vielfachen ironischen Brechungen sind dabei oft aber zu banallehrhaft. Die Figuren bleiben blut- leer. Gerhard Hauptmann verstand in seinen "Ratten" unter "Realität" soziale Wirklichkeit. Daran kommt der vorliegende Laienspieltext ebensowenig heran wie an andere gleichnishafte Behandlungen des Stoffes. Es ist die Kunst der "Entmythologisierung", dem Mythischen und Märchenhaften bei allem Deuten und Erklären genügend Raum zu lassen. Das hat etwa der Russe d. Schwarz als unmitttelbar Bedrohter des Stalin-Systems mit seinen Märchen (x. B. "Der Drache") so gekonnt gemacht, daß dagegen der vorliegende Versuch nur wie ein laienhafter Nachvollzug anmutet. Dennoch ist der Ansatz, sich mit Mythen zu beschäftigen ein nachahmenswerter, wichtiger Weg.